Ich begann mich an dieser Stelle des Flusses ganz auf den Schatten vorzubereiten und seinen weiten Weg auf einem am Ufer ankernden Schiff für möglich zu halten. Mir kam der Gedanke, ich müßte den beiden Forschern geradezu brüderlich an dieser Stelle des Flusses begegnen und zwar auf dem Schiff. Dabei dachte ich mir, das könnte nur dadurch geschehen, daß ein geheimes Wort über meine Lippen käme oder wenn ich den Namen des Schiffes wüßte. Zugleich kam ich auf die Idee, im Vertrauen auf die Verbindung des deutschen Zimmers mit dem jungen Adepten einfach den Namen des kleinen Ortes zu nennen, in dem er den Schatten vor einigen Tagen entdeckt hatte. Über den Tisch und das langsam in Eiseskälte zergehende Bild, auf dem ich noch flüchtig den ganz verwirrt herum kletternden Maler entdeckte, ich weiß auch nicht, ob aus Rücksicht gegen ihn oder weil ich selber kein Freund von Lärm und Geschrei bin, rief ich sehr leise: Berstenrooode! Eine Weile danach erklang aus der Ferne eine Schiffsglocke. Keine Frage, ich hatte den Namen richtig getroffen.
Heute bin ich mir sicher, daß der Adept und sein tantrischer Zwerg nicht nur im gleichen Augenblick dieses Wort, sondern auch meine jetzigen Zeilen, sie waren damals noch gar nicht geschrieben, zu hören oder zu lesen bekamen. Ich begriff bei nachlauschender Aufmerksamkeit mitten im grauen Echo von Klarsicht und Wirrwarr, wie alles schon einmal ganz anders gewesen sein konnte und wie neu dagegen mein jetziger Zustand. Ich sah meine längst verstorbene Mutter an einem lange vergessenen Bienenkorb stehen, weit weg vom Zustand des Augenblicks, denn man hatte auch mich offenbar zu verwandeln begonnen. Und eben weil dies so war, entdeckte ich auch das Schiff.
Es lag im Dämmern an einer sehr einsamen, ganz und gar unwirtlichen Stelle.
Ein paar Stunden vor meinen kaleidoskopischen Übungen hatte ich durch das Fenster vom Tisch aus einen nächtlichen Himmel und darin so etwas wie „Neuruppin“ zu sehen geglaubt. Es ging um ein Dach und die Mauern des gegenüberliegenden Hauses. Ich schleppe gelesene Dinge mit mir herum, und unversehens zeigen sie sich auf bestimmten Straßen oder sogar in Winkeln des Zimmers. Sie tauchen hier einfach auf. Charakteristisch dabei ist auch, daß solche Ecken und Ansichten nicht das geringste mit den gelesenen Szenen zu tun haben. Schon als ich Kind war, ritten auf diese Weise Indianer durch Seitenstraßen am Haus der Großmutter vorbei. Autos störten mich dabei nicht im geringsten. An diesem Abend war ich, wie häufig in letzter Zeit, neben Fontane in die Bilder des Schattens vertieft, und zugleich, durch die Lektüre der „Wanderungen“, in der rätselhaftesten Nähe zu Brandenburg. Mitten in diesen vielfältigen Verbindungen, nach dem Weinglas greifend, erkannte ich plötzlich die Schattenformen eines keineswegs kleinen Lastkahns mitten im Zimmer. Er umgab mich in einiger Deutlichkeit vom Kopf herab bis zu den Füßen. Die Schuhe standen ganz fremd und bescheiden halb vor-, halb nebeneinander auf meinem zertretenen Teppich, und sie begannen sich ohne meinen Einfluß nach und nach mit dem ganzen Schiff zu verbinden.
Als schwankende Bugspitze, die links und rechts die Sterne zu suchen begann, schwebten sie von mir weg und ich hätte gewiß von diesem Augenblick an keinen Schritt mehr tun können.