Bis heute gilt die These vom Kulturbruch als der Versuch der Epoche, die Erfahrung einer Kultur in Trümmern zu artikulieren. Was in Scherben liegt, das muss wohl zerbrochen sein, was zerbrochen ist, hat offensichtlich nicht standgehalten, es wurde besiegt und damit widerlegt. Der Zivilisationsbruch der dreißiger Jahre, die Selektionen, die staatlich verfügten Mordaktionen, die antizivilisatorische Praxis der Massentötungen im Krieg und unter dem Deckmantel des Krieges, dies alles scheint sich in den Trümmern Babylons anschaulich darzustellen und ›Konsequenzen‹ zu verlangen. Es bedarf, neben den Anstrengungen, die jede Art von Unbeirrbarkeit dem Individuum abverlangt, einer nicht geringen Unangestrengtheit, Kultur in diesen Jahren nicht als zivilisatorische Brustwehr, als falsches, da untaugliches Bollwerk wider die Unkultur und schließlich als ihren Komplizen zu sehen, sie vielmehr als Schutzhaut zu begreifen, unendlich fragil und verletzlich, aber im Letzten unabdingbar und in mühsamen Regenerierungsprozessen wieder zu erlangen, nachdem die Brutalität industrieller Prozesse ihr ein schlimmes Ende gesetzt hat. Während der Kulturbetrieb seine Arbeit wieder aufnimmt und sich an dem, was die Situation bietet, bereichert, verharrt die ästhetische Produktion in dem Dilemma, nicht anschaulich machen zu können, wo ihre Quellen liegen und wie diffizil der Zugang zu ihnen geworden ist. Das wenig differenzierte Credo der wiedergewonnenen Freiheit kommt da wie gerufen: der Konstruktivismus, eher eine aus unterschiedlichen Quellen gespeiste Geisteshaltung als eine Schule oder ein Bekenntnis, ist bis heute die einzige nennenswerte Richtung geblieben, die den Minimalbestimmungen von Kultur ebenso Genüge leistet wie der entstandenen Lage. Insofern kodifiziert sich im Bauhaus und den Entwürfen der dort tätigen Künstler tatsächlich so etwas wie ein Vermächtnis der deutschen Kultur angesichts ihres Untergangs, noch dazu eines, das sich bruchlos einfügt in den kanonischen Entwicklungsgang der Moderne. Man kann das Bauhaus kritisieren, aber man kann nicht seine posthume Wirksamkeit leugnen. Das zum zweiten Mal tabuisierte Bauhaus ist die ästhetische Blaupause des schlechten Gewissens der Deutschen, ihre Weise, sich selbst zu ertragen.