Hinterlassenschaften
1945 ist Mersmann sechzehn: Kirche, Palais und Sofa sind verbrannt. Viele wollen darin eine Chance erblicken, endlich jene tiefgreifende Modernisierung der Stadtbilder in Gang zu setzen, die man in den zwanziger und dreißiger Jahren vorgedacht hatte. So dachten die Planer des in Schande vergangenen Regimes, so denkt Thomas Mann im fernen Kalifornien, so denken die Macher, deren Pläne bereits in den Schubladen lagen, als noch gekämpft wurde. Die Moderne hat, auch wenn die Konzepte differieren, gesiegt: nun muss sie angeeignet und dort, wo dies auf Schwierigkeiten stößt, durchgesetzt werden – ein komplexer Vorgang, in dem es nicht immer leicht fällt, Sieger und Besiegte, Überzeugte und Überzeuger zu unterscheiden. Diese sekundäre Aneignung der Moderne ist etwas völlig anderes als der historische Gang, in dem sie sich entfaltet hat und, unter wessen Augen auch immer, weiter entfaltet. In ihr bereitet man etwas Gewesenes auf, nach denselben Gesetzen der zweiten Zerstörung, der Verdrängung, der reduzierten, selektiven, simplifizierten, technisch vertretbaren und dort, wo es sich machen lässt, in puristisch den ›Originalzuständen‹ angenäherten Reduplikationen, nach denen auch die mittelalterlichen Kirchen, die barocken oder klassizistischen Schlossanlagen und Patrizierhäuser der Stadtkerne neu erstehen.