Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [37]

Soweit es ein Dissidententum de Chiricos in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gibt, das seine eigenen Arbeiten einschließt, betrifft es Fragen der Genealogie, nicht des Ausstiegs – nach der Trennung von den Surrealisten für ihn eine Sache des Geschmacks und der Ehre, aber vor allem der Klarheit der Konzeption. Mit einigem Recht hat der Kunsthistoriker Paolo Baldacci herausgearbeitet, dass de Chirico bereits in der metaphysischen Periode einer anderen Moderne das Wort redet als derjenigen, in der er für eine kurze Spanne den Vorläufer geben durfte, am Anfang einer langen künstlerischen Entwicklung vom Breton des Surrealistischen Manifests entdeckt und einbalsamiert und, anders als Picasso, nie wieder aus dieser Verhaftung entlassen. Der zu keiner Zeit ausgetragene Streit, den de Chirico seit der Rückkehr zum Handwerk vom Zaun zu brechen versucht, befasst sich mit der Frage, wieviel Vergangenheit die Kunst braucht und wieviel Vergangenheit ihr erlaubt sein muss. De Chirico orientiert sich in diesem Streit an dem, was ein Maler mit dem Pinsel auszurichten vermag – am Handwerk. Darin liegt eine Einschränkung und sogar ein Widerspruch, solange die Prinzipien nicht geklärt sind, nach denen die Kunst verfährt. Dennoch musste diese Auseinandersetzung einmal geführt werden, es sei denn, man war sich grundlos einig, die Malerei auf dem Altar der modernen Kunst zu opfern. De Chirico hat die Alternative früher gesehen als andere, er hat sie schärfer als andere gesehen und er hat sie schärfer formuliert: ein dreifacher Fluch und ein dreifaches Lob der Vergeblichkeit, jedenfalls dann, wenn man die Unentschlossenheit der Maler, sich der Basis ihres Tuns und der Achtung, die ihnen die Gesellschaft entgegenbringt, ein für allemal zu entledigen, als den eigentlichen Grund für das Überleben der Malerei im zwanzigsten Jahrhundert in Anschlag bringt.