De Chirico gibt in diesem zähen, gelegentlich unappetitlichen Spiel den unnachsichtigen Erben einer großen Tradition, der nicht gewillt ist, das malerische Können für das Linsengericht einer auf kurze Verfallszeit gerechneten Avantgardekunst wegzugeben. Man könnte, was hier Tradition heißt, auch das ästhetische Gedächtnis der Epoche nennen und käme ihm damit vielleicht ein Stück näher. Denn die ostentative Gedächtnislosigkeit der Avantgarde, ihr Wunsch, mit der Vergangenheit zu brechen, mit irgendeiner Vergangenheit, um genau zu sein, denn die Vergangenheit wird nirgends greifbar, sie ist das, was alles menschliche Tun schlechthin grundiert – diese Gedächtnislosigkeit speist sich aus dem Phantasma einer anderen Kunst, die mit der vergangenen nur den Namen und den anthropologischen Nenner gemeinsam hat, sofern sie letzteren akzeptiert. Demgegenüber vertritt de Chirico den Gedanken, dass ›große‹ Kunst immer anders ist, was sie nicht davon abhält, sich gegenüber den ererbten Rezepturen respektvoll zu verhalten. In Mersmanns Worten: »Chirico hat in seinen späten Werken die Ausstattung von Gastmählern unternommen, aber keine manieristischen Grafen finden können, daran teilzunehmen.« Wie bei Proust ist der rabiate Anti-Egalitarismus dieses Manierismus ästhetisch, nicht sozial motiviert. Aber er kann – und will – nicht verhindern, dass er auf allen Stufen der Herstellung, der Wahrnehmung und der Verbreitung auf den Geschmack, das Wohlwollen und den finanziellen Einsatz einer Gesellschaftsschicht angewiesen bleibt, die es seit Mussolinis Zeiten vorzieht, ihre Gesinnungen und Maßstäbe vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Seine Bilder, sofern sie überhaupt Abnehmer finden, gehen in Villen statt in Museen. Sie verschwinden aus der allgemeinen Wahrnehmung, als habe es sie niemals gegeben. Dem ästhetischen Aristokratismus begegnet ein Antiaristokratismus ohne Aristokraten. Man wirft einem de Chirico nichts vor, außer, dass er die Seite gewechselt hat, was immer das heißen mag. Er ist die Gestalt des Abtrünnigen schlechthin, dessen Verrat durchgehen zu lassen nichts anderes hieße, als der eigenen Sache schweren Schaden zuzufügen.