Dieses Zugrundegegangene, das Gehäuse des Menschen, ist die Kultur. In manchen Regionen und Schichten ist sie fast spurlos vergangen, nur an vereinzelten Markierungen im Gelände zu erkennen, zu denen man sich die Gespinste vergangener Weltdeutungen hinzudenken muss. In anderen sind die Zeugnisse so unübersehbar, dass sie zur Nachlese herausfordern, als steckten in ihnen Botschaften an die Nachgeborenen. Im einen wie im anderen Fall prägt ihr Anblick der Anschauung den nicht wegzudiskutierenden und häufig stumm bleibenden Gedanken ein: Das Lebewesen, das Kultur hat, hat ein Problem mit dem Tod. Das ist leicht gesagt, leichter erträglich wird es dadurch nicht. Der Anblick untergegangener Kulturen, ein sehr fragmentarischer, sehr hypothetischer, in mehrfacher Hinsicht eigener Anblick schreckt, aber er tröstet auch. Dieser Trost ist die Kunst. Wer ihn nicht empfindet, ist für sie verloren – ein unglücklicher, ein reduzierter, vielleicht ein tüchtiger Mensch, aber unfähig, zu sehen, was ist. Kunst existiert, solange das Auge des Menschen ›Welt‹ erzeugt, solange die Wirrnis der Gerätschaften ihr nicht ein grausames und unnötiges Ende bereitet, solange nicht ein kleines Ereignis, eine leichte Verschiebung im planetarischen System ihm den Garaus macht. Der Augentrost ist keine Metapher. Dasselbe Organ, das bestimmt ist, das Entsetzliche zu sehen oder sich vor ihm zu verschließen, organisiert auch den Trost, die wohltätige Wirkung, die der Ausblick und seine Botschaft, dass etwas sei, bereitet. Das Auge tröstet sich. Anders als die Musik, die löst und ›erlöst‹, indem sie ein Stück Welt hinwegnimmt, nimmt die Malerei nichts hinweg, sie legt dazu, sie ergänzt, sie lässt das Stückwerk als Ganzes erscheinen, ohne zu lügen, gleichgültig, was die Empörung dazu zu sagen weiß.