Immer wieder erstaunt die Härte, mit der Ideologen die Kunst behandeln, als besäßen sie an ihr ein authentisches Stück des Bösen, an dem man unnachsichtig die Grausamkeit der Systeme und den falschen Anspruch der Vernunft geißeln könne. Das berühmte, auf vielerlei Weise missverstandene »nach Auschwitz keine Gedichte« ist dafür vielleicht kein gutes Beispiel, aber allemal ein Beleg. Die Reihe müsste früher beginnen, sie müsste die verfemten, verfolgten, ermordeten Künstler ebenso einschließen wie die stellvertretend verbrannten, für obsolet erklärten, der falschen Tendenz bezichtigten oder aggressiv übergangenen Kunstwerke. Die Härte verblüfft umso mehr, wenn man erfährt, wie stark privater und öffentlicher Geschmack in diesen Dingen auseinanderklaffen können. Darin liegt wohl bereits ein Teil der Lösung. Wer unnachsichtig gegen sich selbst ist, wer sich nichts nachsehen kann, der muss öffentlich auf der Hut sein und Blindheit als Mittel gegen Abweichlertum empfehlen. Aber vielleicht macht nicht der Geschmack, sondern seine Abwesenheit den Matadoren der Trends zu schaffen und will kompensiert werden. Die mit Geld und guten Worten subventionierte Kunst wird da schnell zum Sündenbock, den man in die Wüste schicken kann, ohne sich etwas zu vergeben, als bestünde kein Unterschied zwischen ihr und den Werken der Grausamkeit.