Dieser unbekannte de Chirico bietet ein erstaunliches Rätsel. Eine alles befingernde Kunstgeschichte hat es vorgezogen, sich nicht mit ihm zu befassen. Aber das ist zu wenig gesagt: sie schließt ihn rituell aus. Er gilt als Renegat einer Moderne, die sich in den europäischen Zentren vor dem Ersten Weltkrieg formierte und in den zwanziger Jahren bei den Nachdenklicheren bereits wieder passé war, ehe der Schock der Verfolgung und die Musealisierung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg sie zum Sanktuarium umschufen und unberührbar werden ließen. De Chirico starb 1978. Die Arbeiten der metaphysischen Periode, die ihn berühmt gemacht haben, fallen ins zweite Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts. Bei den Ausstellungsmachern der Museen gelten die Bilder der zwanziger Jahre als Spätwerk. Was danach kommt, fügt sich in diese Wahrnehmung ein oder es bleibt unbedacht. Man deckt es mit ein, zwei Phrasen wie mit einer Plane ab, vielleicht gegen Blicke, die damit ›etwas anfangen‹ könnten, vielleicht auch gegen den Regen, der unterschiedslos auf alles niederfällt, was seine Stunde hatte und nun darauf wartet, dass es vergeht. In eine solche ›Black Box‹ einzudringen ist nicht einfach. Sie ist, anders als Warhols Brillo Box, als ein Raum konzipiert, der durch handfeste Mutmaßungen erschlossen sein will. Es gibt Kunstwerke in der Zeit, die entfernt an Musik erinnern, aber die Form aufzublätternder Terminkalender angenommen haben. Ebenso gibt es Kunstwerke im Raum, die zu Mutmaßungen über den Ablauf der Zeit Anlass geben, in der sie sich vor den Blicken ihrer Betrachter materialisieren. Tatsache ist, dass die Autorität des pittore metafisico nicht ausgereicht hat, um Aufmerksamkeit für sein ganzes Werk zu erzwingen. Das könnte, immerhin, den Gedanken nahelegen, dass sein Renegatentum möglicherweise an fundamentalere Fragen rührt als die Modernescheu geringerer Größen, etwa eines Balthus, der triumphal in die Ausstellungstempel der zweiten oder dritten Modernität einziehen durfte.