: Homomaris oder die Geburt der Bilder [1]

Müßiggänge


Und noch einmal: Der Teufel bewahre die surrealistische Idee, wie jede andere Idee, die Gestalt zu werden versucht, davor, sich all das einzuverleiben, was man sich am ehesten als Inbegriff der Tatsache denkt –
Breton

Man kann die Bilder nicht ansehen, ohne sich etwas dabei zu denken. Auf diesen Effekt baut die Malerei, er ist das Perpetuum mobile, das sie antreibt. Die meisten Bilder gehen eine Wette mit dem Betrachter ein. Sie fordern ihn auf, sich etwas einfallen zu lassen. Er darf es auch lassen – sofern er kann. Nein, er kann es nicht, schon der minimale Anflug einer Erinnerung oder eine banale Assoziation macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Erst recht der flüchtige, sich übergangslos zur Überzeugung verfestigende Eindruck ›Das ist nichts‹: das denkbar schlichteste Urteil enthält einer Nussschale gleich bereits die Weiterungen und Begründungen, die nötig sind, um an ihm festzuhalten, auch wenn alle Welt widerspricht. Eine Aussage vom Typus ›Ich habe genug gesehen, um mir ein Urteil zu erlauben‹ lässt sich nicht aushebeln. Allenfalls schürt sie den Verdacht, einem amusischen oder beschränkten Gemüt zu entspringen. Obenhin – oder definitiv – ein Urteil über den Wert oder Unwert eines Bildes zu fällen ist eine eher primitive Weise, sich zu ihm zu verhalten. Kein Wunder also, dass jedes Urteil unter dem Diktat der Differenz steht, dass es die Nötigung in sich trägt, die naheliegende Begründung auszuschlagen, es wenn schon nicht besser, so doch anders, also zumindest wort- und gestenreicher zu rechtfertigen. Es ist verständlich, dass dieser Zwang zur Rechenschaft auf das zurückwirkt, was einer zu sehen bekundet. Ob er es wirklich sieht, ob er es so sieht, wie er es sieht, das sind eher müßige Fragen, die nur am Rande interessieren. Erst im Urteil nimmt der Wirklichkeitscharakter dessen, was einer sieht, Kontur an. Man muss in der Lage sein, durch die Finger sehen, um ein Kunsturteil fällen zu können.

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