Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [43]

»›Sie kennen doch Scheinkanonen‹, sagte er. ›Es sind Röhren aus Pappe. Man stellte sie manchmal auf, um die Flugzeuge zu täuschen. Diese Scheinkanonen gibt es jetzt überall, die ganze moderne Kunst ist eine Scheinkanone.‹ In der Mitte des Saales stand ein kleiner Tisch. Es lagen postkartengroße Fotografien darauf, die sehr glänzend waren. Es kam mir so vor, als sei er, ohne einen vernünftigen Grund, außerordentlich stolz auf sie.«

Auffällig an dem Gespräch ist die Geste, der Glanz der Reproduktionen, der unvernünftige Stolz, der aus der Art und Weise spricht, wie der Maler sie präsentiert. Wenn die moderne Kunst ein Täuschungsmanöver ist, erhebt sich die Frage, wen sie zu täuschen bestimmt ist und wen sie tatsächlich täuscht. Das Publikum, das sich vor ihr drängt? Die Sammler und Museumsleute, die den Betrieb mit ihren Schecks in Gang halten? Ist das, was hier moderne Kunst heißt, identisch mit der Kulturindustrie, dazu bestimmt, die originären Leistungen der Kunst zu überblenden und zu marginalisieren, wie dies Adorno nicht müde wird zu betonen? Aber warum Kanonen? Wer ist der Feind? Worauf wären die Kanonen gerichtet, wenn es sie gäbe? Der Berichterstatter gibt darauf keine Antwort. Offenbar erscheint ihm das Bild selbst grotesk. »Man muss Tizian sehen. Gehen Sie zu Tizian«, lässt er sein Gegenüber sprechen. »Unter seinen Fingern wölbten sich die Ansichten dicker Weiber in einem rasend weggezogenen Kriegswagen. Ein ebenso dickes Pferd riss sie durch den Schlamm der Malerei. Er schrieb seinen Namen auf die Rückseite und schenkte mir zwei davon.« In Hofmannsthals Fragment Der Tod des Tizian heißt es:

»... mir wars, als ob er strebte,
Das schwindende Vermögen zu gestalten,
Mit überstarken Formeln festzuhalten...«