Paul Mersmann: Die Bilder (7)

Das schmale Uferband im Vordergrund zeigt Ähnlichkeit mit Lethes Ufer ohne die manchmal von älteren Malern dort gezeigten Spuren der Verwesung. Es handelt sich allerdings auch um den Lethe der Jahreszeiten. Das Jahr in seinem Zug sich verändernder Witterungen zieht hier entlang. Jetzt ist es winterlich gestimmt. Es ist bereits eine klare Kälte vorbeigezogen. Was nachfolgen wird, ist schon erinnerungshaft wie Schilderungen Homers, in denen Odysseus strandet.

Eine kalte und klare Dunkelheit schärft die hier denkbaren Auftritte. Der Ort bittet fast um eine Belebung. Der gestrandete Fisch mit den Flügeln ist bis hierhin entkommen. Jetzt ist er zu einem Denkmal und Zeugnis geworden. Soweit kann ein Wesen der Unterwelt kommen. Es kann seinen unerwarteten Leib, von lebenden Augen bisher ungesehen, hier niederwerfen. Alle sehen es jetzt und sein Untergang bedeutet seine Sichtbarkeit. In diesem Zustand bittet es um etwas Unverständliches. Mühsam fleht es um etwas, das man in seinem fernen Reiche verstehen würde, hier aber nicht. Es ist selbst zu sehr überrascht und stammelt noch vom Alten, während es schon im Neuen untergeht.

Die stehende Frau in einer Kleidung, die ebenso bühnenmäßig an eine Tracht wie an den Aufputz einer Tempelgestalt erinnert, ist auch zugleich eine Stifterfigur mit porträtartigen Zügen. Winterliche Adlervögel, Boten, die jetzt nicht mehr fortwollen, schmiegen sich an ihr Knie. Sie wird sie auch jetzt nicht fortsenden. Sie würden nimanden mehr treffen, für den sie früher hinauszufliegen bestimmt waren. An ihre Stelle wird ein Wesen treten, das in der Hand ihrer Herrin soeben das Licht der Welt erblickt. Die Geburt des magischen Vogels verkündet die Ankunft eines kleinen, aber bunten Lebewesens in dieser Gegend. Besonders wenn man im Rücken der Gestalt das Winterliche und mondhaft Kalte des letzten Streifens mit dem Vogelkopf betrachtet, so mag man an Teile und Reiche des Unerlösten, des sich Verweigernden und Versteckenden denken, das auf seiner ernsten und alterswürdigen Barbarei leer beharrt, aber auch schön ist wie ein Winter in Sibirien.