Paul Mersmann: Die Bilder (1)

Die Bilder


DIE GEBURT DER MODERNE

Auf den ursprünglich weißen Grundierungen bewegen sich jetzt nicht nur dem Menschen verwandte Gestalten, sondern auch, in gleichem Anschein, den Steinen verwandte Steine, dem Wasser verwandte Wasser, den Bäumen verwandte Bäume, den Vögeln verwandte Vögel sowie Zwischenformen in zunächst schwer beschreibbaren Verbindungen, die wie eine Freude des Pinsels, wie Ausbrüche wirken, die sich der Pinsel entsprechend der geschmeidigen Farbe erlaubt. Dieser Mörtel zwischen den Fugen der eigentlich bedeutenderen Gefangennahmen höherer Figuren bildet die rhythmische Lust eines Taktes und einer magischen Grundstimmung, die zur künstlerischen Vebindung jenseits logischer Konstruktionen werden.

Das lange Bild mit dem Boot der Vögel besteht aus zwei Inseln in einem von Land umschlossenen Teich. Dies zeigt das Heimische beider Gebiete. Es zeigt, dass es gemütvoll der Brust innewohnt. Die Vögel sind die eigentlichen Feinde, nicht die beiden Frauen. Es sind Feinde in der Bedeutung einer pendelnden, neugierigen Durchschnittlichkeit. Es sind die schlechten Professoren, die Bildungsspießer, nicht angekommene Fremde, Touristen ohne Verständnis. Der antike steinerne Kopf ihnen gegenüber ist das Symbol eines Wächters, zugleich ein Beispiel für den Ringkämpfer und jugendlichen Helden der androgynen Männerwelt der Antike. [...] Durch ihn fällt auf die Vögel auch etwas von deren Heimat, die nicht abendländisch ist, sondern orientalisch. Durch das blasse Haupt des antiken Mannweibes schimmert selbst etwas Persisches, etwas Alexandrinisches.

Der Teich endet in der Ferne unter einem ockerfarbenen Ufersaum. Dieser Ufersaum ist barock und westfälisch zugleich, ein Damm, hinter welchem die Wiesen in niemals endenden Nebel und Regen ziehen, in einen alten Himmel, der nichts von seinen ehemaligen Bewohnern verrät. Er ist aber nicht leer, sondern nur arm und dem Schmuck seiner Einrichtung nach sehr einfach. Niemand will ihn jetzt mehr betreten. Die blauen Flecken, die dort aus den Bäumen fallen, sind Bannungen, ein Kunstgriff des Malers, um das Bild mahnend ins Innere von Ereignissen zu senden, die dem Betrachter aus der Jugend, aus Stunden der Absonderung bekannt sind. Der Maler hat sie herabgeworfen, nicht im Sinne einer den Bildern entsprechenden Allegorie, sondern als einen blauen Befehl, als Aufruf an den Betrachter, die Empfindungskraft zu schärfen. Es ist ein Schlag mit dem Stock wie in einem Mönchskloster: »Lass ab von den Ablenkungen.«