Paul Mersmann: Chirico [10]

Kinder hatten die Pflastersteine gelockert, kleine Häuser waren schon untergetaucht, während sich größere Häuser schon wieder näherten, die noch hell waren. Irgend ein mächtiger Schatten hatte die Gegend bewacht und in der Großstadt vor der Großstadt bewahrt. Ein alter Baum, noch in der alten Mulde seiner Jugendzeit, von den Buden und kleinen Leitern der Kinder zerkratzt, stand so vertrocknet da, als bezeuge er auf dem Land ein kommendes Gewitter. Aber die Stadt war überall, nur gerade nicht hier. Es war so, als fehle das Salz der Arbeit in der Luft. Eine flaue Festtagsstimmung hatte sich ausgebreitet. Man fühlte sich meilenweit weg von Rom. Chirico blieb hier stehen, um sich zu verabschieden. Ich fühlte sofort, dass er weg wollte, um hier irgend eines seiner Geheimnisse der Luft zu übergeben. Vielleicht zapfte er aus dem vertrockneten Baum eine Flüssigkeit. Ich habe immer angenommen, dass er Flüssigkeiten besitzt, die seit der Antike nicht mehr bekannt sind. Vielleicht presste er Saft aus älteren Gegenden, die ihn reizten. Wahrscheinlich hatte er sich aus Vergesslichkeit mit einem Fremden hierher begeben. Vielleicht brauchte er bis hierher jemanden, von dem er annehmen konnte, er sei zu blöde, von seinem Tizianischen Surrealismus etwas zu wissen. Er brauchte einfach bis hierher einen anderen Menschen in seiner Nähe. Ich habe das immer verstanden, obwohl es zugleich nicht stimmt, dass ich je mit ihm in dieser Gegend gewesen bin. In Trastevere war ich nur einmal mit Himbeer auf der Suche nach ein paar alten Stühlen, die ein Händler am Vortage auf einem Trödelmarkt verkaufen wollte. Ich werde den kleinen Hof nicht vergessen und den kleinen Schuppen, aus dem er die Stühle, geschwungen und schmutzigweiß, wie Kaninchen an den Ohren herauszog.