Paul Mersmann: Chirico [9]

Aus den Worten Chiricos sprach der Hass eines Propheten, der erkannt hat, dass es ebenso viel Sinn hat, der ganzen Welt etwas zu predigen, was sie nicht wissen will, wie einer gänzlich unbekannten Straßenbekanntschaft die größten Geheimnisse mitzuteilen. Man könnte das eine Art von Flaschenpost nennen.
»Sie kennen doch Scheinkanonen«, sagte er. »Es sind Röhren aus Pappe. Man stellte sie manchmal auf, um die Flugzeuge zu täuschen. Diese Scheinkanonen gibt es jetzt überall, die ganze moderne Kunst ist eine Scheinkanone.« In der Mitte des Saales stand ein kleiner Tisch. Es lagen postkartengroße Fotografien darauf, die sehr glänzend waren. Es kam mir so vor, als sei er, ohne einen vernünftigen Grund, außerordentlich stolz auf sie.
»Man muss Tizian sehen. Gehen Sie zu Tizian.« Unter seinen Fingern wölbten sich die Ansichten dicker Weiber in einem rasend weggezogenen Kriegswagen. Ein ebenso dickes Pferd riss sie durch den Schlamm der Malerei. Er schrieb seinen Namen auf die Rückseite und schenkte mir zwei davon. −
Es ging etwas von ihm aus, das mich an eine Säule erinnerte. Eine Säule, die sich einen Anzug angezogen hatte. Es gibt Bilder von ihm, auf denen sich Giganten mit der Architektur von Mauern oder Steinwällen verbinden. So ähnlich kam er mir damals vor, als er an dem Tischchen stand und mit einem Kugelschreiber unterschrieb. Ich habe mir später oft eingebildet, anschließend mit ihm durch eine bestimmte Straße gegangen zu sein.