Paul Mersmann: Chirico [8]

Wie alle Menschen, die ihre Gedanken und inneren Absichten durch formende Gewohnheiten nicht unterdrücken, sprach er, jedenfalls scheinbar, vollkommen vertraulich und offen. Ich weiß nicht mehr, was ich selber gesagt habe. Die kurze Vorstellung, ich sei ein Maler und aus Westfalen, stimmte ihn keineswegs überrascht, und wenn ich auch für einen winzigen Bruchteil geglaubt hatte, es sei ganz unmöglich, eine so römische Erscheinung habe von meinem Westfalen je etwas gehört, fing er mich doch in diesem Gedanken so liebenswürdig auf wie ein Prälat. Er fragte mich, ob ich von dem Schicksal eines Malers namens Ziegelmayer etwas sagen könne, der aus Soest stamme, und mit dem er in seiner Münchner Zeit befreundet gewesen sei. »Die Westfalen sind sehr eigensinnig«, sagte er, »ich hätte gerne gewusst, was aus ihm geworden ist.« Ich war ganz unglücklich, ihm nichts davon erzählen zu können. Es kam mir so vor, als wüsste ich törichterweise das wahre Geheimnis Westfalens nicht, das ihm hingegen ganz geläufig war.
Ich glaube, dass einige dieser Worte am Anfang von mir in schlechtem Italienisch gesprochen wurden, und war in dem dringenden Bedürfnis, mehr zu hören und mehr zu sagen, auch von dem etwas absurden Wunsch befangen, es gäbe aufgrund einer angemaßten Verwandtschaft, die auf meiner großen Verehrung beruhte, irgendein höheres Recht auf Verständigung, und ich war daher kaum überrascht, als er die Unterhaltung in deutscher Sprache fortsetzte.
Jetzt begann er, indem er mich vergaß oder indem er mich wie ein kranker Einsiedler nur für einen Boten halten mochte, den man sich unter den gegebenen Umständen eben nicht besser aussuchen kann, über die Kunst zu reden.
Er sah oder fühlte vielleicht, wie die geheimnisvolle Kraft dieses trostlosen Tages auf das somnambule Gemüt eines Einzelgängers aus dem fernen Westfalen sich langsam und saturnisch bewegend bis zu einem Punkte fortsetzen könnte, der einstmals doch einen Sinn ergäbe. Das Material des Geistes baut auf Strömungen, die man ahnen, aber nicht errechnen kann. Der Transport der Dinge geschieht offenbar nach dem unenträtselbaren Willen von Mächten, die genauestens wissen, wann und durch wen sie dies oder das befördern lassen oder zurücklegen für bessere Augenblicke. Manche Idee von der gleichen Wichtigkeit wie ein Gedanke, der, kaum entstanden, weltweit befördert wird, muss lange warten. Die Verzweiflung des Erfinders ist verständlich, aber die Mächte rechnen nicht mit der Lebensdauer eines Menschen, so wenig wie sich die Natur um eine Sorte misslungener Wesen kümmert, die lange nicht waren, was sie werden sollten, bis sie plötzlich durch den Wechsel des Klimas doch an der Reihe sind.