Paul Mersmann: Chirico [7]

Ich sage es voller Liebe und ohne die Spur eines verächtlichen Hintergedankens, er sah aus wie ein gewaltiger Hase. Als ich mich umwandte, erkannte ich ihn sogleich. Das Gesicht war vollkommen das, was immer schon immer kannte, nur war eben der Zug, den das Leben mitbringt und nicht die Malerei, von einer ebenso kindlichen wie würdevollen Geistigkeit. Ein ewiger Strom der Inspirationen gab den Zügen etwas Leichtsinniges. Die Macht seines Geistes überhauchte aber zugleich das Angesicht mit dem großzügigen Eigensinn dessen, der nicht bloß glaubt, er wisse von den großen Geheimnissen der Gestaltung mehr als andere, sondern den bittere Erfahrungen gelehrt hatten, das es so sei. Auf diese Weise entstand der weiche und mächtige Zug, der den inspirierten Menschen erspart, wie der Vogel Voltaire in die Welt zu stechen. Wer geben muss, bis er alt ist, kann sich in den Gewissheiten nicht abschließen, er bleibt immer ein wenig an den Zirkus gebunden, von einer Harmlosigkeit, die auch die tiefsten Erfahrungen nicht aufheben können. Wer das ewig Unbezahlbare schafft, bleibt zugleich auch immer ein Bettler. Sein dunkler Mantel war wie von fremden Händen, aber mit dem fürsorglichen Ärger einer Mutter zugeknöpft. Ich erinnere mich sogar an zwei verschieden farbige Knöpfe und an einen langen Wollschal. Diese Dinge verband eine gewisse Gleichgültigkeit mit der romanischen, etwas ängstlichen Berücksichtigung leiblicher Zufälle, und das auf eine so ganz unsentimentale Weise, dass der Eindruck einer eigensinnigen Selbständigkeit vollständig gewahrt blieb. Man hätte auch von Würde und Armut sprechen können, wenn nicht die eindeutige Größe des Ausdrucks den zugleich etwas seltsamen Verdacht, hier sei ein verborgener Weltmann verkleidet aus seinem selbst gewählten Käfig gestiegen, genährt hätte. Man fühlt unbedingt, auch durch die Erregung, die diese Begegnung hervorruft, man dürfe ein solches Wesen aus egoistischen Motiven weder mit Fragen fangen noch mit Bitten verfolgen. Dies war auch der Grund, weshalb ich ihn trotz des kurzen und von ihm sehr freundlich geführten Gespräches nicht bat, ihn in seinem Atelier aufsuchen zu dürfen. Meine alte und lange gehegte Zuneigung hat hierdurch für immer etwas Brennendes und Lebendes angenommen.