Paul Mersmann: Chirico [3]

Manche wissen davon, manche wissen davon nichts. Die Blinden unter ihnen leiden an irgend etwas. An Bronchitis oder Rheumatismus, oder sie führen Selbstgespräche durch die Übererregung, den Geist mit dem Tag zusammen flüchten zu sehen.
Sie simulieren einen Zusammenhang mit sich selber über böse Nachbarn, einen Taugenichts von Neffen, einen Freund, der sie verraten hat. Manchmal, im Zusammenhang mit den wunderbaren Fähigkeiten der Wünschelrute, erzittern ihre Spazierstöcke und melden den Verräter oder Lump je nach den Graden der Erregung vorher an. Der Neffe flitzt mit dem Auto vorbei, das niemand bezahlt hat. Der Lump sitzt jetzt öffentlich beim Friseur. Angesteckt von den in der Luft liegenden Spannungen, sehnt man sich nach einem Ausweg. Das Café ist kein Ausweg, der öffentliche Lesesaal, die Lasterkammer aller durch Grübeln Erschütterten, die dem Irrenhause entgangen sind, ist nicht in der Nähe, der Autobus bereits eine unerträgliche Profanierung. Da ist endlich ein altes Haus, seine große gelbe Fassade hat mit dem Teufel aus dem Klassenzimmer Borrominis schon vor längerer Zeit so glücklich zusammengearbeitet, dass ein aufregender Schlummer über die Fensteröffnungen gefallen ist. Dieses Gebäude schläft, man kann es ohne Angst betreten, man ist absolut sicher, keinem Menschen zu begegnen. Eine große Treppe, breit und gerade, steigt auf. Kein Mensch kann auf die Idee kommen, einzelne Grafen seien hier je zuvor hinauf‑ und hinabgestiegen, nein, dieses Haus ist immer missbraucht worden. Schwarzhemden sind hier im Dauerlauf mit Fanfarenstößen in umgebaute Büros gestürzt. Vor vierzig Jahren ist hier gerast worden, das Erwachen des Hauses ist auch jetzt noch jeden Augenblick möglich, aber ohne Menschen. Irgendein Advokat weiß darüber Bescheid, er ist gerade unterwegs, sein Spazierstock erzittert, weil der Lump kommt, der Neffe.