Ulrich Schödlbauer: Homomaris oder die Geburt der Bilder [30]

Im Farbwasser-Musikalischen A.B.C. halten zwei ›Trageknechte‹ ein Paar riesige Hände über ein Konzertpodium. »Handzeichen«, heißt es im zugehörigen Text, »um selbst in verlassenen Gegenden oder von Bergen herab Tonfolgen und musikalische Absichten deutlich zu machen.« Und weiter: »Die Trageknechte der Handzeichen galten zu allen Zeiten ihres bedeutenden Wirkens als nahezu wichtiger als die Kompositionen, die sie zu übermitteln hatten, denn eine gewisse Ungenauigkeit zwang sie bei Regen, Dunst oder Nebel zu eigenen Kompositionen.« Die Manieristen sind solche Trageknechte: Sie übermitteln die Kompositionen anderer, aber nur ungenau. Und das ist entschieden wenig gesagt – sieht man näher hin, so erkennt man, dass sie alles anders machen, ohne in der Anstrengung, das Original zu vermitteln, im mindesten nachzulassen. Es wäre nicht ohne Witz, zu behaupten, ihre Anstrengung, genau zu sein, sei dort am größten, wo sie sich am entschiedensten von der Vorlage lösen. Aber gerade das – sich zu lösen – will ihnen nicht gelingen. Es wäre auch ganz unsinnig, weil damit die Verbindung abrisse, die aufrecht zu erhalten ihre Aufgabe ist. Ihr zumindest haben sie sich verschrieben – zwar nicht mit Haut und Haar, aber mit Witz und Können und einem untergründigen Wissen darum, dass mit der Kunst auch die Welt stirbt.