Paul Mersmann: Nachwort zur Offenbarung Johannis [3]

Das Werk des Johannes trägt durch und durch surreale Züge. Das Lamm Gottes wirkt als goldenes Werk und Idol mit Blut aus Rubinen. Ein frühes gotisches Bild aus den Zeiten van Eycks taucht vor uns auf.
Wenn die erste Schöpfung über alle Erfolge von Wissenschaft und Technik hinaus bis heute eine landwirtschaftlich, fast tierisch begründete Qualexistenz gestiftet hat, überwindet die Kunst, zwar als schöner Schein auch immer wieder verworfen, in tausenden neuen Stilen den Fluch des Schöpfergottes. Jeder Kunstgegenstand hat, wie in der Apokalypse deutlich erkannt, im Rücken die Feuer der Weltvernichtung und die goldene Stadt aus Edelsteinen vor Augen.
So hat es bereits Johannes gesehen. Zornbebend spricht der göttliche Landwirt von Zauberern und von Götzendienern, die er in bürgerlicher Verachtung in den Pfuhl des Verderbens gestürzt hat, obwohl er allein nur von ihnen diese goldene Stadt je hätte empfangen können. In der Offenbarung des ersten und größten Surrealisten des Abendlandes findet die Kunst unter Gold, Edelsteinen und Christus als Agnus dei den poetischen Widerstand gegen eine grausam verfluchte Natur, als wäre die köstliche Stadt unter Rudolph II. in Prag entstanden. Es bleibt erstaunlich, dass im Grünen Gewölbe in Dresden kein solcher Entwurf aus Dinglingers Händen zu finden ist. Johannes auf Patmos wagt es, der naturstiftenden Genesis eine zweite, völlig künstliche Schöpfung entgegen zu stellen. Im großen Bruch zwischen Gott und seinen Geschöpfen lässt er den Rest dieser alten Welt im Schall von Posaunen, unter den Hufen grässlich entstellter Rosse, von Kugeln geleitet, zertrümmern. Welche Engel, welche Rosse, welch ein Gott, aber auch welche ewige Wahrheit gegenüber der Kunst.