Auf dem Titelblatt dieser Sammlung wurde, keineswegs grundlos, die historische Zeit des Kreuzes in die Unendlichkeit einer poetisch erfundenen Gnosis erhoben.
Grimm und Willkür begleiteten einst die verfügende Liebe des alten Gottes, dessen Volk man nicht länger umdeuten darf in Menschheit – auch dies ein folgenschwerer Irrtum im Freiheitsgang des abendländischen Denkens. Analog dazu ist die geistige Entwicklung gehemmt und der gewaltsame Atheismus gesät worden. Die Freude an Göttern ist uns abhanden gekommen, das Fest der Kultur zivilisiert und zur Pflicht an der Wirklichkeit verdüstert.
Außer in einer leider nur einmal aufblitzenden Idylle fast Vossischen Zuschnitts ist mir von göttlicher Schönheit nichts weiter bekannt geworden. Es heißt an dieser Stelle: »Und sie hörten die Stimme Gottes des Herrn, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war.« (1 Mose Kap 3/V- 8.)
Diese Stelle findet in der Tora Mendelssohns keine angemessene Entsprechung, wenngleich dort eine seltsam mystische Leere die Stimme Gottes aus fernen Räumen erschallen lässt. Bei Luther sieht man sich eher des Abends in den kühlen Garten eines schwäbischen Pfarrers versetzt, der diesmal, nach dem Abendessen, seinen jungen Vikar nicht wie üblich zu einem Gespräch in den Rabatten finden kann.
Wie dem auch sei, das alles habe ich bei der Arbeit an den Werken eines mir fremd gewordenen Gottes empfunden, aber nicht, wie man sieht, aus Mangel an Religion, sondern als Grundverdacht an der Religion dieses Gottes selbst.
Lichtel, am 15. Mai 2006