Haralampi G. Oroschakoff: Paris Bar [20]

Das Dröhnen der Musik verschluckte für wiederkehrende Momente jegliche Geräusche. Nur ein leichtes Zittern bestätigte im geübten Auge den Versuch, die Kränklichkeit vor der Welt zu verbergen. Spät in der Nacht, es goss mittlerweile wie aus Kannen, rannten Christoph und ich auf der Suche nach einem letzten Drink die Rue de Sewastopol entlang, einem Lichtermeer entgegen. Dort angekommen, prallten wir gegen eine schweigende Macht arabisch-afrikanischen Ursprungs, die sich stumm und ordentlich in Großraumbusse stopfte, um in die Banlieus gekarrt zu werden. Während ich die durchnässte Zigarette mit beiden Händen schützend anzuzünden versuchte, kam mir ein Gedicht vom Daniel Richter in den Sinn: »Wäre ich hungrig, kalt, einsam und durstig, vom Leben gezeichnet, bescheiden, zurückhaltend und gebildet, wäre ein Idealist, der nichts täte um des äußerlichen Erfolgs und Ruhms wegen, ein Asket, ein Bewohner des Trogs namens Death Metal, misstrauisch, Purist, nicht zu kaufen. Oder wäre ich lieber in der Paris Bar?« Recht gesprochen, lieber Daniel, man sollte uns nicht die Tricks vorwerfen, sondern deren Raffinement. Es bleiben Nachschlagwerke des Flüchtigen.

 

Ich danke Sibylle Lewitscharoff, Elisabeth Ruge, Amadeus Gerlach, Frank Berberich und Michel Würthle für Anregungen und Lektorat.

 

* Dieser Essay erschien in deutlich kürzerer Fassung in Michel Würthle (Hg.): Paris Bar Berlin; Quadriga Verlag/Eikon Ullstein List GmbH & Co, München, 2000