Danach Absturz, Trennung und Neubeginn. Michel hält inne und sieht sich um: Finanzkrisen, Kunstmarktrekorde, Gesundheitsdiktat und jede Menge Gebote und Verbote im Euroland. Als ich noch Kind war, verbreiteten Abstellräume, Garagen und enge dunkle Gassen Angst und Schrecken. Ich durchquerte sie in der sicheren Annahme, meinen Albträumen hinter der rissigen Clownsmaske zu begegnen. Heute werden meine Albträume von verkehrsberuhigten rauchfreien Idyllen bevölkert, von endlosen Fußgängerzonen, sinnlosen Sicherheitsschikanen und Legionen wohlmeinender, sozial engagierter Mitbürger, die ihre Vortrefflichkeit in jede Falte des welken Wohlstandsfleisches hinein reiben, wie weiland der Teufel sein Gift in eine Wunde. Die Fratze des Dauerlächelns wandelt sich nach Bedarf in die Darstellung des ernsten, besorgten, vernünftigen und immer verantwortlich agierenden Zeitgenossen. In diesem tatsächlichen Albtraum werden Privilegien durch Begünstigungen ersetzt und die Schlüpfrigkeit der Demokratieschöpfung als Chancengleichheit verkauft. In Peter Handkes Worten wird Moral zum anderen Wort für Willkür. Deren prüfender Blick richtete sich nun interessiert auf die Paris Bar. Während alles über noch zu brechende Rekorde jubelt, befindet die Paris Bar sich bereits in ihrer nächsten Häutung. Ein Naturkundemuseum seltener Artefakte, ist sie endgültig zum Material in den erfahrenen Händen des „Commissaire génerale d‘exposition“ Michel Würthle geworden und hat sich zum Völkerkundemuseum der Ahnungen und Ideen gewandelt. Nach einer ersten Materialschlacht in New York, die kunstinteressierte Öffentlichkeit hielt den Atem an, landet die Paris Bar in erweiterter Form und geradezu zwingend in Paris: Michel ließ mich galant vorgehen, und so betrat ich die weitgestreckte strahlende Galerie, wo mir Benjamin Katz schon ruhig entgegenblickte. Das große Segel in mir füllte sich langsam, gleichsam glättend um seine gewaltige bauchige Gestalt anzunehmen, die Backen blähten sich hinauffahrend, die Fock schräg dazu im Winkel, während die Küste träge verdämmerte – Stille. Da waren sie vereint, all diese wunderbaren Zeugnisse von der Hand Einzelner. Nach dem Gedränge der Vernissage bestellte uns Michel einen Couscous Mouton beim Marokkaner. Zur späten Stunde hatte Christoph Steinmeyer die Raucherlounge im angesagten Club »Le Baron« für uns gemietet, und wir tauchten in die Retrowelt der 70er Jahre ein, umringt von erfahrenen Kindern der Neuzeit.