Haralampi G. Oroschakoff: Paris Bar [14]

Seit 1969 verbringe ich die Hälfte des Jahres in Cannes, inmitten der azurblauen Leichtigkeit und stets auf der Flucht vor den Protagonisten der slawischen Emigration und ihrer monströsen Selbstbehauptung. Eines Abends im Mai, ich war alleine in Fontainebleau, zeigten sie auf Arte einen Film: »La collection secrete de Salvador Dali« war der intrigante Titel dieser fiktionalen Dokumentation. Als Regisseur zeichnete ein gewisser Otto Kelmer. Während die Kamera sich langsam einem Schloss bei Versailles näherte, ganz so wie der Rauch ohne Schall über lindgrüne Wiesen, die sich im dunkler werdenden Braun verlieren, erklärte eine Stimme aus dem Off, dass jener sagenumwobene Dalinist namens Max Richard, über den bis vor einem Jahrzehnt nur einige, dafür allerdings inspirierte Gerüchte kursierten, einer der reichsten Männer Europas sei, der dieses Schloss in eine Art Kapelle für sein Idol verwandelt hatte. Gemäß dem unsterblichen Rilke-Wort, wonach Ruhm nur die Summe aller Missverständnisse rund um einen Namen ist, streifte die Kamera durch die Salons des Schlosses und hielt auf einen am Schreibtisch sitzenden Mann zu. Die Stimme leitete die Totale mit den Worten ein: »Was ist dieser Richard für ein Mann?« Richard sagt: »Dalis Leben war eine einzige Beschwörung, um Gott zu überzeugen, ihm Modell zu stehen. Dieser Satz ist fortan für ganze Generationen von Kunsthistorikern wie auch für Gottesanbeter die ultimative Aussage über Kunst überhaupt, ob im Dienste fremder Genies oder des eigenen…« Karamba, dachte ich, als ich in Max Richard Michel Würthle erkannte. Als Mann von Welt führte er eloquent durch die Labyrinthe der Selbsterschaffung, parlierte leicht und trilingual zwischen Englisch, Französisch und Deutsch mit dem Direktor des Dali-Museums oder Andy Warhols Ultraviolett, als ob er immer schon vor Kameraaugen aufgetreten wäre. Aber nicht sein Feschsein, noch die bemerkenswerte Aussage machten den Film für mich unterhaltsam, sondern dessen souveräne Personifizierung. Ich sah Michel gleichsam als seine eigene Verdopplung: eine Provokation im Angesicht des normierten Zeitgenossen in seiner Bevormundung. Begegnet sind wir uns einen Moment später in Berlin. Er trug einen hellgrauen Flanellanzug mit Seidenkrawatte, Pepita in beige mit darauf abgestimmten zimtfarbenen Wildlederschuhen, ich selbst gestreift in Mitternachtsblau, aufgefrischt durch ein bordeauxrotes Paisley-Einstecktuch und ergänzt durch Papis genagelte Nagy Schuhe in Ochsenblut. Ihr Auftritt bitte, im Britischen zum Aufknöpfen, zweiter Tisch links, parallel zur Kantstrasse.