Haralampi G. Oroschakoff: Paris Bar [8]

Oft pas­sier­te ich auf Streif­zü­gen durch die In­nen­stadt die Ga­le­rie Würth­le, zu die­sem Zeit­punkt im Be­sitz von Hans Dichand, dem all­mäch­ti­gen Her­aus­ge­ber der Kro­nen­zei­tung. Diese wich­ti­ge Ga­le­rie, vom Kup­fer­ste­cher und Ver­le­ger Fried­rich-Carl Würth­le ur­sprüng­lich in Salz­burg be­grün­det, wurde da­nach zu einer der ein­fluss­reichs­ten Kunst­hand­lun­gen um die Jahr­hun­dert­wen­de des 20. Jahr­hun­derts in Wien. Mi­chels Gro­ßva­ter Fried­rich führ­te die Ga­le­rie er­folg­reich wei­ter und ge­noss unter den sich neu­for­mie­ren­den Se­zes­sio­nis­ten bald einen Ruf wie Kahn­wei­ler in Paris. Wid­ri­ge Um­stän­de be­för­der­ten seine Aben­teu­er­lust, so fin­den wir ihn am Ende sei­nes Le­bens in einem in­di­schen In­ter­nie­rungs­la­ger, wo er ein­sam ver­starb. Nach dem An­schluss an Hit­ler­deutsch­land än­der­ten sich die Be­sitz­ver­hält­nis­se dra­ma­tisch: Fritz Würth­le, Mi­chels Vater, er­füll­te nicht die in ihn ge­setz­ten Er­war­tun­gen der Fa­mi­lie, Kunst­händ­ler zu wer­den. Trotz Lehr­jah­re bei So­lo­mon & So­lo­mon in Lon­don und Flecht­heim in Ber­lin, ent­schied sich der spä­te­re His­to­ri­ker für eine po­li­ti­sche Kar­rie­re und trat als Na­zi­geg­ner der Ti­ro­ler Wi­der­stands­be­we­gung bei. Die Ga­le­rie Welz, wel­che die Salz­bur­ger De­pen­dance führ­te, über­nahm ge­schmei­dig den Werk­stock und führ­te das ari­sier­te Un­ter­neh­men unter ei­ge­nem Namen wei­ter – ei­ni­ge Un­ge­reimt­hei­ten in Bezug auf den Be­stand konn­ten bis heute nicht aus­ge­räumt wer­den. Der in­ter­es­sier­te Leser wird sich an die Que­re­len um Werke von Schie­le und Ko­kosch­ka er­in­nern, die Hu­ber­tus Czernin vor ca. zehn Jah­ren im ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten­ma­ga­zin »Trend« the­ma­ti­sier­te.

Die Ga­le­rie Würth­le ist mitt­ler­wei­le Teil der ös­ter­rei­chi­schen Kunst­ge­schich­te ge­wor­den: ich er­in­ne­re mich an deren Re­tro­spek­ti­ve an­läss­lich des 60. Ju­bi­lä­ums seit ihrer Grün­dung An­fang der 80er Jahre. Unter der Regie von Otto Breicha hatte sich die ös­ter­rei­chi­sche Avant­gar­de der letz­ten hun­dert Jahre ver­sam­melt: Gus­tav Klimt, Egon Schie­le, Al­fred Kubin, Oskar Ko­kosch­ka, Fritz Wo­tru­ba, Di­rek­tor der Ga­le­rie nach 1945, sowie an­de­re Mit­be­grün­der der Mo­der­ne in Ös­ter­reich.