Gennaro Ghirardelli: Nachtgänge durch Kairo [10]

Unser Mentor verabschiedet sich von uns, drückt jedem die Hände und verschwindet. Er hat woanders zu tun. Eine Verabredung, ein Geschäft? Nachts um elf, mitten in den Festivitäten? Oder war er ein Geheimer? Sie sind allerorten und manchmal sehr freundlich. Als ich eines Morgens im Nildelta unterwegs war, gab es auf der Autobahn ein großes Chaos. Polizei und Militär waren dabei, den Verkehr umzuleiten, weil der Präsident erwartet wurde, um ein Stück neuer Autobahn einzuweihen, das allerdings schon seit Wochen befahren wurde. Es soll auch vorkommen, dass eine neue Straße, obwohl fertiggestellt, wochenlang gesperrt bleibt, weil sie noch nicht eingeweiht wurde. Alles weiträumig abgesperrt, nur am Ort der Handlung selbst waren verdächtig viele Bauern unmittelbar an der Autobahn am Pflügen, trieben Eseltreiber ihre Tiere vor sich her, hockten Gruppen von Bauern und Bäuerinnen am Straßenrand. Der Fahrer wies auf das bunte Treiben und rief vergnügt: »Alles Geheimpolizei!« Eine Frau, die zum Festkomitee für die Einweihung gehörte und die uns die Polizei einige Kilometer davor autoritativ, ohne Widerspruch zu dulden, in den Wagen gesetzt hatte, weil sie sonst zu spät zum Festakt gekommen wäre, wollte sich schier ausschütten vor Lachen.
   Etwas verloren sitzen wir im Festzelt, schlürfen den kredenzten Tee und lassen das Getöse über uns ergehen. Kein Mensch scheint mehr Notiz von uns zu nehmen. Nur bei längeren Blickkontakten wird ein gefälliges Lächeln herübergeschickt, ein geneigtes Kopfnicken, das tiefer Selbstzufriedenheit entströmt. Ich habe schon verstanden, dass, wenn nur alles seinen Gang geht, Ihr mit Euch sehr zufrieden und vollkommen im Reinen seid.

»… there was not a sign of ill-humour or fanaticism in spite of the presence of many Europeans. A more good-natured crowd was never seen.«

Wir verlassen den Platz und ziehen weiter. Um die Grabmoschee des Rifa’i, im Zentrum des Geschehens, wird die Menschenmenge dichter, die Stimmung ausgelassener – Jahrmarktleben.