<grabbeau> |
Paul Ferenczi: Intermezzo |
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»Ich
bin Schubert« – murmelte Paul Ferenczi, den Kopf zwischen
zwei Stäbe seines Krankenbettes gelehnt, den Leib ansonsten
lässig auf die Matratze gestreckt, unbestimmt, was zwischen
Füßen und Kopf geschehe. »Gleichwohl, ich bin
Schubert« hallte es aus seiner Leere, die er nicht anders als
durch diese Luftworte, änigmatische Füllsel, zum Klingen
brachte. »Denn Musik, die will ich, die brauche ich«, sonst
klingt es nicht, möchte man meinen. Und so meinte er es. Moosbrugger, der heute besonders fein im Erfinden war, nahm zwei Finger von jeder Hand und legte sie in schöner Symmetrie, auf die er schon immer Wert gelegt hatte, an den Kopf. Seinen Kopf. Sein Kopf war nun ein Spalier seiner selbst, an dem er Rosen zu pflanzen gedachte. Gedankenrosen, Körperrosen, das fiel ihm, nach alter Art, zuerst ein. Er griff – ohne doch greifen zu können – nach dem Messerchen in der Matratze und schnitt einen Buchstaben in seine Stirn. »M«, natürlich, so abwechslungsreich, wie Ulrich einmal angenommen hatte, war er nun doch wieder nicht. Er wollte es auch nicht sein – diese stolzheischende Wendung trug er als blöden Kindheitsrest mit sich herum. »Na und!« – die pure Verneinung, so fiel sie ihm wieder ein, das Ding, geeignet zum Tischlern, Backen und Kindermachen, das Gerank um die Leere, mit der sie gefüllt wird und befriedigt ist. »Ist«, der alte Copula-Spaß. Was haben wir gelacht! Eine Zeit lang – bis die Copula in unser Erwachen blies. Wir konnten ja nie anders, wie denn hätten wir anders gekonnt. Es gab Versuche, man las die Berichte, trunken vor Gegenwart, in weisen Büchern, geadelt durch das alltägliche Feld, in dem man lag und dachte: Es geht doch. Da täuschten wir uns, da haben wir uns getäuscht, da ist die Täuschung, die uns nicht verlässt. Da sind wir, das waren wir, dachte Moosbrugger und verzierte das »M«, herumtastend in der Stirn. Da sprach das »M«: »Du weißt nicht, was Du tust, M. Du verwechselst Dich. Lass, rate ich Dir, die Copula, und sei das Sein das Du bist.« Moosbrugger, nun gelangweilt vom Schein, der von ihm ausging, hob den Kopf aus den Stäben und ballte die vier Finger zur Faust, die ihnen fehlte. »Noli me tangere, Aristotel. Dein Subjekt erpare ich Dir. Rohes Weidevieh. Meinst Du, ich kennte Dich nicht so, dass es zum Lobe gereicht? Meinst Du, ich sei nicht leichten Fluges Du? Sieh diese Vierfingerfaust!« »Du erstaunst mich nicht, Du bist ein verhinderter Bäcker, Christian. Ich aber bin Dein Zeichen, nie wirst Du mir gleich.« »Aber gleichen werde ich Dir schon, mein süßes M., was wärst Du ohne mich?« Da verschwand die Messerspur, schlich sich in die Hand Paul Ferenczis, die Moosbrugger in die Stäbe zurückdrückte. Da dachte Moosbrugger über die Schubertrose nach. |
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