Heisch/Stirnemann: ATC

31. 1. 2010

25. 1. 2010

24. 1. 2010

23. 1. 2010

10. 1. 2010

 


Die Erfolgsgeschichte des italienischen Panini-Unternehmens ist beispielhaft: 1954 aus einem Familienbetrieb entstanden, wuchs im Laufe der Jahre ein stattliches Unternehmen mit einem Jahresumsatz im zweistelligen Millionenbereich. Hierzulande längst ein Begriff sind die auflagenstarken Fussball-Trading-Cards, jene Klebebilder also, für die entsprechenden Alben. Die farbigen Bildchen entfachen regelmässig eine wahre Sammel- und Tauschwut, oft nicht nur unter Kindern und Jugendlichen. 1996 initiierte der Zürcher Schriftsteller und Multimedia-Künstler M. Vänçi Stirnemann das Kunstprojekt Artist Trading Cards (ATC), welches seither international eine beachtliche Resonanz fand. Anders als die kommerziellen Trading Cards werden diese ATCs nicht von einem Hersteller gedruckt, sondern von den Tauschenden selbst hergestellt. Jeder kann Karten nach seinem Gusto gestalten und danach mittauschen. So entstehen Unikate oder Kleinsteditionen, die allerdings nur getauscht und nicht gehandelt werden dürfen. Die Grösse einer Tauschkarte ist 6,4 mal 8,9 Zentimeter, was dem amerikanischen Originalformat 2,5 mal 3,5 Inch entspricht. Damit passen diese tauschbaren Kunst-Kartenobjekte auch in die Sleeves (Sammelhüllen) hinein, wo sie gesammelt und aufbewahrt werden können.

Formale Restriktionen bei gleichzeitiger völliger gestalterischer Freiheit: Technik und Motiv sind dem Produzenten / Tauschenden überlassen, der freien Fantasie und Kreativität sind oftmals keine Grenzen gesetzt. Das macht dieses Kunstprojekt besonders anregend und inspirierend. «Es ist mir bewusst, dass sich die Qualität einzelner ATCs unterscheiden kann», meint der Copy- Art-Pionier M. Vänçi Stirnemann, «doch gerade in der Heterogenität und ‹Vielfalt des Nebeneinanders› liegt das Besondere dieses Kunstprojektes.» Weit wichtiger als die künstlerische Qualität – immer vorausgesetzt, man macht die Karten so gut und ernsthaft wie möglich – sei nach Stirnemanns Aussagen der persönliche Kontakt unter den Beteiligten. Dazu gehören mittlerweile viele bildende Künstler und Performer wie beispielsweise Don Mabie (aka Chuck Stake) an, der zum prominenten Aushängeschild einer eigentlichen «High Art»-Szene zählt. Die immer wieder wechselnden Konstellationen an den so genannten «Trading-Sessions» und der Prozess des Zusammentreffens und Austauschens (wenn man so will, handelt es sich um eine «soziale Performance») wurde erstmals 1997 mit einer Ausstellung von 1200 ATCs von M. Vänçi Stirnemann in Zürich ins Leben gerufen. Heute beteiligen sich an regelmässigen Trading-Sessions in Zürich, Calgary, Vancouver, Kelowna und vielen anderen Orten Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen an der Performance. Ein weiterer Aspekt dieser Performance waren ATC-Editionen, die bislang bei copy-left (Zürich) editiert wurden, daran sich bisher ungefähr 600 aus etwa 40 Ländern beteiligt haben. Die ATCs veranschaulichen damit eine lebhafte und kreative Tausch-Subkultur jenseits des Kommerzes.

Trading-Sessions jeweils am letzten Samstag im Monat, 15 bis 17 Uhr, Restaurant Bubbles, Zürich.
www.artist-trading-cards.ch

Michael Heisch