Die Erfolgsgeschichte des italienischen Panini-Unternehmens ist
beispielhaft: 1954 aus einem Familienbetrieb entstanden, wuchs im
Laufe der Jahre ein stattliches Unternehmen mit einem Jahresumsatz
im zweistelligen Millionenbereich. Hierzulande längst ein Begriff
sind die auflagenstarken Fussball-Trading-Cards, jene Klebebilder
also, für die entsprechenden Alben. Die farbigen Bildchen entfachen
regelmässig eine wahre Sammel- und Tauschwut, oft nicht nur unter
Kindern und Jugendlichen. 1996 initiierte der Zürcher
Schriftsteller und Multimedia-Künstler M. Vänçi Stirnemann das
Kunstprojekt Artist Trading Cards (ATC), welches seither
international eine beachtliche Resonanz fand. Anders als die
kommerziellen Trading Cards werden diese ATCs nicht von einem
Hersteller gedruckt, sondern von den Tauschenden selbst
hergestellt. Jeder kann Karten nach seinem Gusto gestalten und
danach mittauschen. So entstehen Unikate oder Kleinsteditionen, die
allerdings nur getauscht und nicht gehandelt werden dürfen. Die
Grösse einer Tauschkarte ist 6,4 mal 8,9 Zentimeter, was dem
amerikanischen Originalformat 2,5 mal 3,5 Inch entspricht. Damit
passen diese tauschbaren Kunst-Kartenobjekte auch in die Sleeves
(Sammelhüllen) hinein, wo sie gesammelt und aufbewahrt werden
können.
Formale Restriktionen bei gleichzeitiger völliger gestalterischer
Freiheit: Technik und Motiv sind dem Produzenten / Tauschenden
überlassen, der freien Fantasie und Kreativität sind oftmals keine
Grenzen gesetzt. Das macht dieses Kunstprojekt besonders anregend
und inspirierend. «Es ist mir bewusst, dass sich die Qualität
einzelner ATCs unterscheiden kann», meint der Copy- Art-Pionier M.
Vänçi Stirnemann, «doch gerade in der Heterogenität und ‹Vielfalt
des Nebeneinanders› liegt das Besondere dieses Kunstprojektes.»
Weit wichtiger als die künstlerische Qualität – immer
vorausgesetzt, man macht die Karten so gut und ernsthaft wie
möglich – sei nach Stirnemanns Aussagen der persönliche Kontakt
unter den Beteiligten. Dazu gehören mittlerweile viele bildende
Künstler und Performer wie beispielsweise Don Mabie (aka Chuck
Stake) an, der zum prominenten Aushängeschild einer eigentlichen
«High Art»-Szene zählt. Die immer wieder wechselnden
Konstellationen an den so genannten «Trading-Sessions» und der
Prozess des Zusammentreffens und Austauschens (wenn man so will,
handelt es sich um eine «soziale Performance») wurde erstmals 1997
mit einer Ausstellung von 1200 ATCs von M. Vänçi Stirnemann in
Zürich ins Leben gerufen. Heute beteiligen sich an regelmässigen
Trading-Sessions in Zürich, Calgary, Vancouver, Kelowna und vielen
anderen Orten Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen an der
Performance. Ein weiterer Aspekt dieser Performance waren
ATC-Editionen, die bislang bei copy-left (Zürich) editiert wurden,
daran sich bisher ungefähr 600 aus etwa 40 Ländern beteiligt haben.
Die ATCs veranschaulichen damit eine lebhafte und kreative
Tausch-Subkultur jenseits des Kommerzes.
Trading-Sessions jeweils am letzten Samstag im Monat, 15 bis 17
Uhr, Restaurant Bubbles, Zürich.
www.artist-trading-cards.ch
Michael Heisch