‹projekt köpfe›

Irgendetwas war anders. Er hatte, ohne weiter darüber nachzudenken, den Weg eingeschlagen, der sanft bergan führte. Das gab es doch nicht: Der Bauer, den er schon heute Vormittag gesehen hatte, saß immer noch auf seinem Traktor, hinter sich die neue Erntemaschine. Die Gerste war fällig. Die Bauern im Dorf hatten zusammengelegt, um dieses Gerät zu kaufen, das aussah als sei es von einem anderen Stern. Doppelt so schnell könnten sie jetzt ernten, hatten sie letzte Woche beim Stammtisch geprotzt. Er war skeptisch gewesen, hatte aber nichts gesagt.

Doch darum ging es jetzt nicht. Er konnte nicht verstehen, dass sein Nachbar so unbeirrt übers Feld fuhr. Obwohl es schneite.

Auch die Dorfstraße konnte er von hier oben jetzt ganz gut übersehen. Auch dort blieb der Schnee inzwischen liegen. Er ging weiter. Er dachte, dass er ihn schon als Kind gemocht hat. Manchmal waren seine Hände so kalt gewesen, dass er die Finger in den handgestrickten Fäustlingen nicht mehr bewegen konnte. Immer wieder hatte er den Schlitten auf den Hügel gezogen, um noch einmal und noch einmal hinabzufahren.

Jürgen Wölbing: Köpfe (23)
Jetzt trug er keine Handschuhe. Er vermisste sie auch nicht, seine Hände fühlten sich warm an. Inzwischen war er bestimmt schon zwei Stunden unterwegs. Oder mehr. Ist auch egal, dachte er und drehte sich noch einmal um.

Der Schneefall hatte derart zugenommen, dass er das Dorf von dort oben kaum mehr ausmachen konnte. Trotzdem meinte er durch das Schneetreiben hindurch Kinder zu entdecken. Kinder auf dem Bolzplatz. Heute hieß der bestimmt anders. Wieso spielten sie in kurzen Hosen? Es schneite doch. Es schneite wie verrückt.