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über Michael Heisch | |||||
MUSEUM IM NETZ MICHAEL HEISCH: PROTEUS | |||||
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Hannes
Giger gewidmet | ||||
Spielanleitung 1. Eine Komposition besteht aus 90
Partituren. Michael Heisch, Zürich im September 1999 (rev. 2002) Benötigte
Spielgegenstände | |||||
Zu diesem Werk Am 2. Februar 1922, rechtzeitig zu James Joyce' 40. Geburtstag, erschien im Pariser Verlag Shakespeare & Co. der Roman Ulysses. Ein Werk von einmaliger Komplexität und Beziehungsfülle. Eine singuläre Erscheinung, die Epos, Chronik, Drama, Reportage, Essay und Entwicklungsroman zugleich ist. Ulysses ist wie eine Irrfahrt im 20. Jahrhundert und bildet das moderne Gegenstück zu Homers Odyssee. Joyce travestierte darin Motive und Gestalten, und einige Portraits waren böswillige Karikaturen, mit parodistisch-verfremdeten Zügen, angehäuft mit komischen und abwechslungsreichen Sprachabenteuern. Joyce misstraute der traditionellen Form des Romans: ständig unterlief er Erwartungshaltungen und schilderte stattdessen das Wunderland des Alltags mit all seinen Zerstreutheiten, Gedankensprüngen, Drangsalen, Zufällen, unerwarteten Begegnungen, Hoffnungen, Erinnerungen, Frustrationen und kleinen Glücksgefühlen. Brouillage / Bruitage sind Kompositionen, die variabel angeordnet und gespielt werden können. Sie bilden ein work in progress, welches nicht abgeschlossen ist und in wechselnder, kaleidoskopischer Wahrnehmung fortgesetzt wird. Joyce-ähnlich wird unter anderem der (manchmal mehr oder minder) abenteuerliche und klingende Alltag auf ein Minimalformat gebannt. Die einzelnen Partituren haben eine Grösse von 64 x 89 mm (entspricht einem amerikanischen Format, u.a. den *Artist Trading Cards). Eine Komposition besteht immer aus 90 solcher "Mini-Partituren" (die aber nicht alle gespielt werden müssen). Diese Partituren lassen sich verschiedenartig kombinieren. Spinnenwebenhaft, mit kaum entzifferbarem Gekritzel, Randnotizen und Korrekturen. Launig Zusammengefasstes, "spasshaft-geschwätzige, allumfassende Chronik", mit vielfältigstem Material, labyrinthisch verworren... Ähnlich wie viele Schriftsteller Ideen und Gedankenblitze auf Papierzetteln festhalten, liegen so im Laufe der Zeit musikalische Ideensplitter für **Solostücke unterschiedlicher Instrumente vor. Es häufen sich aber nicht etwa beliebige Spieltechniken an, sondern ein geschlossenes Konzept entwickelt sich langfädig durch verschlungene Schichten. Jedes Solostück von Brouillage / Bruitage steht im direkten Zusammenhang mit einem ganz bestimmten Kapitel aus dem Ulysses. So gehört beispielsweise Brouillage / Bruitage für Kontrabass dem Proteus-Kapitel an. In der griechischen Sage ist Proteus ein Meergott, der die Zukunft vorhersagen kann. Menelaos wandte sich an ihn, um eine Weissagung von ihm zu erhalten. Aber Proteus suchte sich durch allerlei Verwandlungen (Tiergestalten) dieser Aufgabe zu entziehen. Joyce experimentierte im Kapitel Proteus mit mehreren Ebenen: Einerseits stellte er durch die Beschreibung eine künstliche Realität her, die es so vielleicht nie gegeben hat; er entführt den Leser in eine Scheinwelt. Der Romanheld Stephen Dedalus stapft durch eine vom Autor durch Worte geschaffene Strandlandschaft. Andererseits grübelt dieser Held über Sein und Schein nach und "prüft mit geschlossenen Augen" Aristoteles' Auffassung von Raum und Zeit. Dabei scheint das Wechselspiel aus äusseren Eindrücken und inneren Monologen kein Ziel vor Augen zu halten und mehr dem Zufall als einem erkennbaren Muster zu gehorchen. Und doch gibt es ein Grundthema: die Frage nach der Identität in einer Welt, die in ständigem, proteushaftem Wandel begriffen ist, in der Geburt und Tod einen dauernden Kreislauf der Vergänglichkeit bilden. Und schliesslich: A portrait of the artist as a young man hatte James Joyce 1916 literarisch gezeichnet und damit seinen Weltruf begründet. Ein portrait of the artist as a young dog liess Dylan Thomas dem Roman von Joyce ironisch folgen. Michel Butor stellte mit einem Bildnis des Künstlers als junger Affe die Verhältnisse klar. Wiederum auf den Roman des französischen Schriftstellers bezieht sich der Untertitel des Stückes !?dialogues suffisants!? für Violoncello und Schlagzeug der Komponistin Olga Neuwirth (Portrait einer Komposition als junger Affe). Nun - vielleicht ist Brouillage / Bruitage - Proteus ein Portrait des Komponisten als launiger Büffel...? *ATCs (Artist Trading Cards) sind kleine Tauschkarten. Anders als die kommerziellen Trading Cards werden die ATCs nicht von einem Hersteller gedruckt, sondern von den Tauschenden selbst hergestellt. Jeder kann Karten im Format 6,4 auf 8,9 Zentimeter nach seinem Gusto gestalten und dann mittauschen. Zum Beispiel jeden letzten Samstag des Monats im Buchantiquariat Ink.Art & Text, Dufourstrasse 132, 8008 Zürich. www.artist-trading-cards.ch **Bereits bestehen in dieser Art folgende Solo-Stücke: Brouillage/Bruitage - Hades - Klavier, Brouillage/Bruitage - Eumäus -Schauspieler; Brouillage/Bruitage - Penelope - Altflöte. In Planung: Brouillage/Bruitage - Scylla und Charybdis - Akkordeon. Das Gesamtkonzept sieht mit der Zeit vor, dass die einzelnen Solostücke miteinander kombiniert aufgeführt werden können und damit wechselnde Besetzungen entstehen, bis hin zur Ensemble-Grösse. Ergänzungen Die ersten 30 Partituren meiner Komposition für Kontrabass habe ich in einer Auflage von je 20 Exemplaren bei der Edition copy left veröffentlicht und ganz im Sinne der "ATCSpielregeln" datiert, nummeriert und mit einem Stempel versehen. Meine Absicht ist, eine Art offenes
Kunstwerk im künstlerisch übergreifenden Sinne zu
entwickeln: Zwei "Disziplinen", die unabhängig voneinander existieren können und in ihrer Kombination wiederum etwas Drittes ergeben: ins spannende und kreative Tausch-/Handel-Umfeld gestellt (als Beispiel bei den ATC-Sessions), fliesst in diesem kommunikativem Akt der Gedankenstrom weiter und entzündet so wiederum neue Gedankenblitze (Leopold Bloom hätte vermutlich seine Freude daran gehabt). Jede Solo-Komposition besitzt einen Widmungsträger (dies ist ebenfalls ein Teil des Konzeptes). brouillage m radio Störung
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© Grabbeau 2007 |