Paul Mersmann
Grasteufel
überqueren eine öffentliche Bühne, ohne vom Publikum wahrgenommen
zu werden (2009)
Bei der Absicht, derart wenig bekannte Naturgeister zu malen,
gerät der Künstler wie bei so vielen manieristischen Themen sehr
schnell in die von der zeitgenössischen Bildungskultur als Halbwelt
empfundene Zone der Schaustellerei, die dem Ernst musealer
Deutungsintelligenz so wenig entspricht wie etwa die Malerei auf
den Kirmesbuden. Nebenbei gesagt, liegt hier auch wahrscheinlich
der Grund für die Ablehnung des Spät-und Hauptwerkes Chiricos, das
gleich der prachtvollen Anpreisung imaginärer Zirkuszelte die
Puritanie der Bildungsspießer so schwer verletzt haben muss. Man
meidet dergleichen Belustigungen im Tageslicht der beschränkten
Vernunft wie andere gewisse Orte. Dabei ist die Welt dieses wahren
Artistentums mit seinen in Schaubuden prachtvoll verheißenen
Ankündigungen der Ort einer ewig fortbestehenden Alchymie, die aus
dem Dreck der tatsächlichen Wirklichkeit Gold produziert.
Zur Freude aller erfahrenen Skeptiker, die es aufgegeben haben, nicht anders als Oscar Wilde, auf den zweifelhaften Besitz der wahren Werte des Spießertums ihre Hoffnung zu setzen, entsteht die Kunst nicht als Botschaft im Dienste der Weltverbessserer, sondern als Heilmittel gegen die Dummheit derer, die sie erzwingen wollen.
Dennoch ist ihre Wirkung, wenn auch subtiler, einem Altarblatt mit Marterscenen verwandt, auf dem die Opfer ohne Diskretion zwischen Anfang und Ende einer unsichtbaren Unendlichkeit schweben müssen. Aber insofern haben die beschworenen Geister wenigstens manchmal noch die Aufgabe bei ästhetischer Anrufung, so selten sie sein mag, wirken zu dürfen. Erstarrte Luft aus geglättetem Wachs überzieht als Hauch einer anderen Welt diese Scene und noch immer können aus diesem Bild ebenso Flüche wie Gnaden gezogen werden. Jedes Gemälde des echten Ursprungs spricht ja von den lebendig wechselnden Wellen des chymischen Weltgartens mit all seinen Scharen unbekannter Bewohner, die von der Palette mit Farbe und Pinsel gefangen genommen werden.
Was die Grasteufel betrifft, so sind sie durchaus barock im römischen Namen der Malerei, doch zugleich von nördlicher Abkunft.
Eine gewisse Freundschaft mit dem blassen Licht des nördlichen Himmels und den unmessbar grauen Wolken haben während ihrer Schilderung immer gewirkt. Keine spöttische Karikatur von Gelächter über ihren seltsamen Aufzug hat hier je eine Rolle gespielt.
Hierin »nördlich«, haben als »kunstgeschichtliche Unterweisungen« auch Grimms Märchen oder die eingeflüsterte Trygvill-Saga Belehrungen ausgestreut. Im Glimspiegel-Buch von Lichtel, dem ältesten Malerhandbuch des Nordens, heißt es von den Unirdischen: »(so) fahl / (so) schnell / ihr anblick (auch) sei / früchte bringt er / aus farbigem eis«.
Am Rande zu Füßen Rudis, der, verkleidet wie Loki der listige einst im Frauenkleid, sich auch hier zu entziehen sucht, zeigen sich zwei bewaffnete Grasteufel, die starren Blickes ihre Herrschaft begleiten. Sie bezeugen die heute töricht gewordene Treue der Asen, denn die Kunst kann alles gebrauchen und vergisst eigentlich nichts. Die wichtigste Gestalt des ganzen Bildes ist der Rosskilde Grünling, der unbeirrt vorwärtseilt. Ihm ist die Bildflucht schon fast gelungen und wer hier Verehrung erweisen will, der möge sich seines Ansehens zu jedweder Flucht im Geiste bedienen. Seine unterschiedliche Zweifüßigkeit bedeutet wortwörtlich »nach Ausflüchten rennen.« Gerichtsgebäude oder die Politik und die Akademien können sich seiner unbedenklich bedienen, wenn dort wie immer Masken und Eile wünschenswert sind. Er ist auch für die Spende gewöhnlicher Teelichter empfänglich.
Paul Mersmann: Grasteufel.
Ölbild, 140 x 200 cm
Paul Mersmann
Grasteufel überqueren eine öffentliche Bühne, ohne vom Publikum wahrgenommen zu werden
Aquarell (2007)