Anne Corvey Pino Marittimo
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Jäher Morgen Dämmerung verweilt, verfrüht gereift aus überwacher Nacht, im unverwegten Geäst. Noch irrt der Mond in der strengen Spur der Zweige, zittert silbenhell vor Begier, sie auszuleuchten. Sacht streift ein Wind das harrende Gefieder.
Alles überragend streckt er die hohen fast leeren Arme wissend in einen sich wandelnden Himmel. Früher, so sagt man — vierhundert Jahre sollen seitdem vergangen sein —, früher waren die Zweige dicht belaubt, mit Vögeln bevölkert. Die Rede zieht von Ohr zu Ohr, kein Auge hat sie vernommen. | |
Tritt aus der Zuflucht der Wimpern und schau. Vernimm die Sprache des Lichts, der alles verwandelnden Kraft, die redend den Baum mit wechselndem Schimmer bereitet. Am Morgen scheint Schnee auf den Zweigen. Gebilde aus Kühle und Traum. Frühling, Sommer, Herbst. Zu Stunden verzaubert den Tag das Licht der Zeiten.
Am Abend endlich, in dem gedrängten Moment des Übergangs zwischen den Welten, beginnt dein Baum von innen zu leuchten. Glutrot steigts aus dem furchigen Stamm. Glutrot erstrahlt die schmächtige Krone. Brennender Dornbusch, Geheimnis des Lichts gesammelt in jeder Pore wovon nur die Rede geht, leuchtend zu künden. |
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| Erstdruck: Zeno 2001
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Text Anne Corvey © Grafik Lucius Garganelli
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